Der Vogel
Du bist vom Wind erlöste Ackerkrume,
du bist ein Kind von Fisch und Blume.
Aus allem aufgehoben,
bist du der Wunsch der Seele,
dass sie im tollsten Toben
sich nicht mehr quäle.
Du bist vom Stern geboren
in einer großen Nacht.
Pan hat sein Herz verloren
und dich daraus gemacht!
Wolfgang Borchert
"Let`s face it. Humans are predatory animals. Throughout history, the stronger or more powerful members of our species have preyed upon the weaker among us. Because this predatory-i.e.,rankist- behavior has such deep historical roots, it can be hard to imagine a world that has rank without rankism. It can be hard to envision a world where rank holders use their rank to protect the dignity of all." Robert W. Fuller, 2008
Diese Webseite beschäftigt sich im Schwerpunkt mit dem Phänomen von Rangordnung in Gruppen von "gleichwertigen" Mitgliedern, z.B. im beruflichem Team oder in der Schulklasse und nicht mit strukturell bedingten Hierarchien und Rangordnungen in Organisationen jeglicher Art, die natürlich in der Regel sinnvoll und notwendig sind.
Robert W. Fuller spricht in seinen einführenden Worten in seinem Buch "Dignity for all" von seinem Wunsch das Thema "Dignity", was übersetzt soviel heißt wie Würde und Respekt, zu einer Bewegung zu machen.
Hierzu müsse jedoch zuerst auf unsere Vergangenheit geschaut werden und diese sei eine "predatory past", meint unsere anthropologische und biologische Vergangenheit sei die von Raubtieren gewesen (siehe auch hierzu die Seite Dominazhierachie seit ewigen Zeiten).
Wir alle gehen auf hunderttausende (Millionen) von Jahren zurück und für die meiste Zeit sei Raub (Gewalt und Erniedrigung) der Name des Spiels gewesen. "Predation" bedeute auf den Schwachen herum zu hacken, so dass unsere Chancen verletzt und geschädigt zu werden, wenn wir uns das holen oder aneignen was wir brauchen, so klein wie möglich gehalten wird.
Es sei eine Strategie der viele Tiere folgen würden, Löwen usw. - und Menschen. Und es würde eine Menge Sinn machen, weil der Baum auf dem Hügel eben exakt das hat was ich brauche. Er bietet Früchte, Schutz für mich und meine Kinder; er hat all das was ich für mein Überleben brauche.
So sieht es fast so aus, als seien wir in diesen "Predatory Games" steckengeblieben und es gäbe keinen Weg heraus.
Ist jedoch die Existenz des Paradigmas "Dominanz und Unterwerfung" in dem wir uns durch unterschwellige Rangordnungen und damit gegenseitig zugefügter verdeckter und tabuisierter Gewalt wirklich eine natürliche Erscheinung unserer biologischen Gene als eine unvermeidliche und von der Natur vorgeschriebene und Jahrmillionen erprobte Verhaltensweise, wie es der kanadische Psychologieprofessor Jordan B. Peterson beschreibt?
Oder liegen die Ursachen womöglich sehr nah und für die meisten von uns doch so ungreifbar weit weg in frühkindlichen Erfahrungen die wir ALLE aus unserer Kindheit kennen? Deren Konsequenzen und immensen Auswirkungen jedoch auf unsere Gesellschaft, auf unser aller psychischem Erleben und Sozialverhalten uns zumeist nicht bewußt ist?
Dr. Anke Elisabeth Ballmann, Psychologin und Pädagogin, setzt sich seit 25 Jahren für kindgerechtes Lernen und gewaltfreie Pädagogik ein.
Laut ihrer Aussage ist Kindesmisshandlung keine Ausnahme sondern die REGEL in Deutschland.
Die meisten Kinder würden in ihren ersten 6 Lebensjahren psychisch misshandelt werden.
Zu dieser Aussage kommt A. E. Ballmann weil sie in fast jeder der mehr als 500 Kitas die sie im Rahmen ihrer Fortbildungs-, Beratungs- und Prüfungstätigkeit in den vergangenen zehn Jahren besucht habe, Zeugin von psychischer Gewalt wurde. (A. E. Ballmann, Seelenprügel, 2022, S. 8)
Diese Misshandlungen seien von „Einzeltäterinnen“ begangen worden. Es handele sich bei diesen Misshandlungen nie um ein ganzes Team sondern um Einzeltäterinnen mit „weitum vergiftender Wirkung“.
In selbst durchgeführten Umfragen von ca. 9000 Erzieherinnen in ihrern Fort- und Weiterbildungen hätte auch nicht eine Einzige die Frage verneint, entweder selbst Gewalt ausgeübt zu haben oder Zeugin von Gewaltanwandungen gewesen zu sein.
Daraus ließe sich Schlußfolgern das Gewalt, wenn auch nur durch bestimmte Personen, dafür aber überall an der Tagesordnung wären.
In der Regel gehe es hier um psychische Gewalt.
Kinder würden „eingeschüchtert, gedemütigt, zurückgewiesen, beleidigt, erpresst, feindselig behandelt, verängstigt, ausgegrenzt, lächerlich gemacht, bedroht, isoliert und ignoriert.
Ihre kindlichen Bedürfnisse und Rechte werden damit massiv missachtet, und sie bekommen bekommen nicht jenes emotionale Gerüst, das sie für ein rundum gesundes und emotional stabiles Aufwachsen brauchen.“ (A. E. Ballmann, 2022, S. 9)
Seelische Gewalt wird nicht nur seitens der Eltern und Erziehungsberechtigten gegenüber ihren Kinder ausgeübt, sondern findet sich ebenso in öffentlichen Institutionen, wie Kindergrippen und Kindergärten.
Dieses sei den Eltern in der Regel nicht bewußt, die ja glauben ihr Kind sei von ausgebildeten und stattl. geprüften Kindergärtnerinnen gut versorgt und sicher aufgehoben, jedoch gäbe es in beinahe jedem Kindergarten Erzieherinnen die Kindern extremen Schaden zufügen würden. Auswirkungen erfahrener Demütigung, von Nieder gemacht werden, von seelischer Grausamkeit in Worten und Taten in der frühen Kindheit können zu bleibenden Versagenangsten, mangelndem Selbstwertgefühl, Selbstzweifeln, späteren Depressionen führen.
„Viele zerbrechen an verbaler Gewalt und seelischen Mißhandlungen in jungen Jahren und verbringen den Rest ihres Lebens als innerlich leere Marionetten.“ schreibt A. E. Ballmann.
Seelenprügel, verbale Grausamkeit gegenüber Kindern aufzuzeigen sei ein Tabu in unserer Gesellschaft, käme jedoch viel öfter vor als wir es uns vorstellen können.
„Viele betrachten diese verbalen Ausfälle und Übergriffe immer noch als ganz normale Erziehungsmethoden oder angebrachte Kommunikationsformen im Umgang mit Kindern – ohne sich darüber im Klaren zu sein, welche negativen Auswirkungen dies auf deren ganzes Leben haben wird. Genau deshalb ist jede einzelne seelische Misshandlung eine zuviel! Wir müssen eine Null Toleranz- Haltung zu diesem Thema in die Köpfe der Menschen pflanzen. Wir müssen vor allem auch bei psychischer Gewalt- sehr viel schneller und sehr viel öfter eingreifen, um Kinder zu schützen. Wir müssen endlich genauer hinsehen!“ A.E. Ballmann, 2022, S. 13.
Seelische, bzw. verbale Kränkungen, Vorwürfe und Beleidigungen gegenüber Kindern können sich folgt äußern:
„Wie kannst du nur so dumm sein?“, „Bist du so blöd oder tust du nur so“, “So geht das mit dir nicht weiter“ Wenn du nicht sofort.. dann..! „Ich zähle jetzt bis drei..!“
Kinder in Kindergarten, Schule und evtl. Elternhaus hätten sich an diesem Umgangston gewöhnt und dabei die Überzeugung aufgebaut keinen anderen wertschätzenden und respektvollen Ton zu verdienen. Und es käme dann noch schlimmer schreibt Ballmann. Dann nämlich wenn diese Kinder in ihrer Seele bleibende Schäden davontragen und auf diese verbale Gewalt mit Rückzug oder Aggressionen reagieren würden. Erzieherinnen würden, obwohl sie es eigendlich von Berufs wegen besser wissen müssten, „dann oft keine Spur von Mitleid“ zeigen sondern im Gegenteil mit ihren Verbalattacken „gnadenlos“ und in derselben Weise fortfahren. z.B. mit „Jetzt brauchst du gar nicht zu weinen, was soll das?“ (ebd. S. 20)
Solches Verhalten zeigt Konsquenzen: Die dadurch erfahrene Ablehnung und Missachtung der Würde und Verletzlichkeit der Kinder führt bei diesen zu dem Gefühl allein gelassen zu werden und sie beginnen sich selbst und ihren eigenen Gefühlen nicht mehr zu vertrauen.
„Sie werden ja mit der permanenten Botschaft beschallt, dass sie so wie sind, nicht genug sind. Den Ansprüchen ihres Umfeldes nicht genügen. Wenn sie weinen, wird ihnen vermittelt, dass diese Emotionen so gar nicht positiv sind“. (ebd. S. 20)
Ballmann zitiert an dieser Stelle den Soziologen Ronald C. Kessler und die Psychologin Naomi Eisenberger deren Untersuchungen darin übereinstimmen das eine kontinuierlich respektlose Ansprache, sich im Bewußtsein und Ich-Erleben dieser Kinder als Glaubenssätze einprägt:
„Du machst alles falsch. Du bist es nichts wert. Ergo wirst du nicht geliebt und schlimmer noch – du gehörst nicht dazu. Zu uns gehörst du nur dann, wenn du so bist wie wir dich haben wollen.“ (ebd. S. 20) Dies könne zu einem kontinuierlichem Lebensgefühl der Einsamkeit, des nicht Dazugehörens und Ausgegrenzt sein auch in späteren Lebensjahren führen.
Zu dieser Entwicklung tragen natürlich auch alle nonverbalen Signale bei, wie sie auch beim Mobbing von Betroffenen so schmerzhaft erlebt werden: Abschätzige, kalte Blicke und „böse“ Gesichtsausdrücke, ein ironischer Ton, ein Ton wie ein Peitschhieb. Auch ignorieren und übersehen gehören dazu.
Desweiteren können auch wiedersprüchliche Aussagen, oder doppelte Botschaften wie ein freundlicher Ton mit wütendem Gesichtausdruck für Kinder nicht einordbar und darum verwirrend sein und diese an ihrer Wahrnehmungs- und Kommunikationsfähigkeiten zweifeln lassen.
Durch all dies entsteht ein unwiederbringlicher Verlust von Vertrauen in sich selbst und in die Welt.
„Ein generelles Mistrauen gegenüber dem Leben macht sich so in vielen Kindern breit, ohne dass sie selbst oder ihre Familien das auch nur bemerken. Es ist ein schleichender Prozess an unangenehmen Gefühlen. Dadurch können Selbstwert, Selbstvetrauen, Selbstsicherheit und Selbstwirksamkeit nicht im richtigen Ausmaß wachsen oder werden in jungen Jahren gänzlich zerstört. Das hat katastrophale Folgen für die einzelnen Kinder und insgesamt auch für unsere Gesellschaft.“ (ebd. S.22)
Symtome seelischer Misshandlung und Vernachläßigung, über deren anzunehmende Häufigkeit es in Deutschland bisher noch keine Statistik gibt, zeigen sich laut dem Rechtsmediziner Tsokos der 2014 das Buch „Deutschland misshandelt seine Kinder“ herausgebracht hat, in einer verzögerten Sprach- und Sozialentwicklung. Es könne häufig auch zu psychsomatischen Beschwerden wie Bauchschmerzen unklarer Herkunft kommen oder zum Einnäßen kommen. Seelisch misshandelte Schulkinder bezeichneten sich oft als „dumm“ „schlecht“ oder „hässlich“. Jugendliche neigen zu Selbstverletzungen, Essstörungen oder sind gar Suizidgefährdet.
Arno Gruen zitiert in seinem Buch "Dem Leben entfremdet" den ungarischen Psychoanalytiker Sandor Ferernzi (1932) Dieser beschrieb die psychische Umkehr der Wahrheit innerhalb der Herrschaftsbeziehung zwischen Kind und Eltern (und natürlich allen anderen Einfluß nehmenden Erwachsenen):
Das Opfer verleibe sich die Sicht des Unterdrückers als eigene Sicht ein, während Wahrnehmungen die es in der Beziehung zum Unterdrücker in Gefahr bringen, vom Bewußtsein ausgeschaltet werden. Dies führt zu der zuvor beschriebennen Verunsicherung und Entfremdung den eigenen Gefühlen gegenüber.
Durch die Identifikation mir dem Agressor entwickelt sich eine Art Pseudo-Vertrauen in die Welt.
Die Wahrnehmung des Kindes das seine Bedürfnissen und sein Sein nicht geachtet werden, ist für das Kind so terrorisierend das es in seiner Ohnmacht den Unterdrücker idealisiert.
Dadurch verleibt es sich seine Macht ein und kompensiert so seine Hilflosigkeit.
"Diese früheste Art dem Terror durch die Identifikation mit dem Aggressor auszuweichen, ist die Basis für die freiwillige Knechtschaft, die Etienne de la Boetie bereits im Jahre 1550 beschrieb." Arno Gruen, Dem Leben entfremdet , S. 77
Menschen übernehmen die Werte ihrer Peiniger aus Angst vor dem Terror, den ein Erleben eigener Impulse nach sich ziehen würde schreibt Arno Gruen in seinem 2002 erschienen Buch "Der Fremde in uns".
Als Säuglinge sind wir mir unserer Bedürftigkeit und Hilflosigkeit abhängig von unseren Eltern. Um seelisch überleben zu können benötigen wir das Vertrauen darauf das die Eltern uns Liebe, Geborgenheit und Schutz geben können. Kein hilfloses Wesen könne in dem Bewußtsein existieren, dass die Menschen auf die es psychisch und physisch angewiesen ist, seinen Bedürfnissen kalt und gleichgültig gegenüberstehen.
"Diese Angst wäre unerträglich, ja tödlich. Unser Überleben hängt also davon ab uns mit unseren Eltern zu arranchieren - und zwar auch und vor allem dann, wenn die Eltern tatsächlich kalt und gleichgültig oder grausam und unterdrückend sind."
In diesem Fall wird das Eigene vom Fremden abgespalten.
"Das Eigene wird als etwas Fremdes abgespalten. Denn das Kind kann die Eltern nur unter der Vorraussetzung als liebevoll erleben, dass es ihre Grausamkeit als Reaktion auf sein eigenes Wesen interpretiert - die Eltern sind grundsätzlich gut, wenn sie einmal schlecht sind, dann ist es unsere eigene Schuld.
So wächst in uns die Scham, das wir so sind wie wir sind. Damit übernimmt das Kind die lieblose Haltung der Eltern sich selbst gegenüber.
Alles was ihm eigen ist, wird abgelehnt und entwickelt sich zur potentiellen Quelle eines inneren Terrors.
Seine Gefühle, seine Bedürftigkeit, seine Art der Wahrnehmung werden werden zu einer existentiellen Bedrohung weil sie die Eltern dazu veranlassen könnten, ihm die lebensnotwendige Fürsorge zu entziehen. Die Folge ist eine Identifkation mit den Eltern, Das Eigene wird als etwas Fremdes verworfen, stattdessen übernehmen wir die kinderfeindliche Haltung der Eltern." Arno Gruen, "Der Fremde in uns", S. 15
siehe Seite: Verlust des Mitgefühls
Ein Mensch sagt und ist stolz darauf: “Ich geh‘ in meinen Pflichten auf!” Doch bald darauf, nicht mehr so munter, geht er in seinen Pflichten unter! Eugen Roth zitiert nach Stefan Köber
Der Psychoanlytiker und Leitfigur der Friedensbewegung Horst-Eberhard Richter wurde 1962 an einen Lehrstuhl für pschosomatiche Medizin berufen. Er gründete vor Ort in Gießen eine psychosomatische Klinik mit Abteilungen für psychologische und soziologische Medizin. Im Kontext der Psychosomatik beschäftigte sich H. E. Richter auch mit der unterschiedlichen Mortalität von Männern und Frauen. 2022 liegt die Lebenserwartung von Jungen bei 78,6 Jahren und bei Mädchen bei 83,4 Jahren.
Nach Richter, 1974, bestehe eine enge Beziehung zwischen Männlichkeitidealen und dem Herzinfarktsprofil. Von Herzinfarkt und Verschleißerkrankungen seien Männer signifikant häufiger betroffen. Studiere man das Merkmalsbild der Herzinfarkt-Persönlickeit so fiele auf, "dass es eigentlich ziemlich exakt mit dem Idealbild des supermännlichen Mannes der Leistungsgesellschaft übereinstimmt." Es sei nahezu identisch mit Eigenschaften die Erfolg und Karriere verheißen. Es wäre der energiegeladene Erfolgsmensch, Ehrgeizig und Durchsetzungsfähig der unbeirrt an seinen Zielen festhält, die ihm Erfolg und Anerkennung bringen. "Angstfreiheit", Stärke und Dominanz wären weitere Stichworte, die natürlich auch für eine attraktive Postion in der sozialen Rangordnung Sorge tragen.
Stefan Körber, Psychologe an einer kardiologischen Klinik, bemerkt in seiner Abschlußarbeit in Ausbildung zum Logotherapeuten 2018 folgende Erfahrung in der Arbeit mit Herzinfarktpatienten:
"In den Gesprächen mit den Patienten fiel mir zunächst auf, dass es wiederkehrende Themen sowie Verhaltens- und Erlebnisweisen gab. Häufig äußerten meine Patienten, dass sie sich von der Erkrankung ausgebremst fühlten. Sie zeigten Ungeduld mit einem aus ihrer Sicht langsam fortschreitenden Genesungsprozess. Oftmals betonten sie, bald wieder arbeiten und funktionieren zu müssen. Daher hatte ich häufig das Gefühl, meine Patienten bremsen zu müssen und appellierte ich zu Beginn meiner Tätigkeit noch häufig an ihre Geduld. Auffällig war, wie sehr sie bemüht waren, wieder zu funktionieren und etwas leisten zu können. Viele fühlten sich nutz- oder gar wertlos. Von Beginn des Rehabilitationsaufenthaltes an beschäftigte meine Patienten der zentrale Punkt, ob sie weiterhin leistungsfähig sein würden, um den beruflichen Belastungen noch gewachsen zu sein. Diese Ungewissheit konnten viele schlecht aushalten. Die Vorstellung, vom Arbeits- oder Sozialamt abhängig zu werden, war für die meisten meiner Patienten unerträglich, schlimmer, als durch Überlastung erneut einen Herzinfarkt zu riskieren. Den Gedanken, von Anderen als ein Schmarotzer der Gesellschaft angesehen zu werden, empfanden sie als demütigend. Die Angst vor finanziellen Einbußen setzte etlichen massiv zu, da sie damit einen sozialen Abstieg verbanden."
Horst-Eberhard Richter zitiert Bräutigam und Christian die über die männlichen Eigenschaften von Stärke und Ehrgeiz schreiben: "Sie sind jedoch sicher nicht seelisch ausgeglichen, "normal", wenn auch ihr Verhalten in einer auf Arbeit und Leistung ausgerichteten Welt vielleicht überangepasst ist. Sie verfallen mehr als andere dem Sog der moderen Industriegesellschaft, die einseitig auf Leistung, Konkurrenz und Wettbewerb ausgerichtet ist. Das suchtartig dekompensierende Arbeitsverhalten, die zwanghafte Tendenz zur Aktivität und eine unbedingte Neigung andere zu führen und zu dominieren, sich selbst nicht passiv führen lassen, wird bei vielen deutlich." .."Sie..wehren ihre weiblichen Gefühlsanteile so weit wie möglich ab."
Von der Erziehung ofmals in diese Rolle "hineingequält" würden sogenannte Infarktpersönlichkeiten bzw. Persönlickeiten die über lange Jahre an ihrem Körper und an ihrer Seele Raubbau betreiben, sich ständig Gewalt antun, indem sie bestimmte Bedürfnisse, die in ihnen stecken nicht ausleben.
Das deutsche Ärzteblatt schrieb 1998 noch folgendens:
"Trotz allen Aufwands sind die Unterschiede im Gesundheitszustand zwischen Männern und Frauen erheblich, was auch an der drastischen Lebenserwartungsdifferenz von mehr als sechs Jahren abzulesen ist. In Deutschland betrug der Unterschied in der Lebenserwartung 1994 durchschnittlich 6,5 Jahre. Zugunsten der Männer sind bislang kaum Anstrengungen unternommen worden, diese Unterschiede zu thematisieren oder gar zu vermindern. Die Beschäftigung mit "dem Mann" und seinem gesundheitlichen Zustand beziehungsweise seinen Bedürfnissen stellt offenbar gesellschaftliches und wissenschaftliches Neuland dar. "
Die Krankenkasse IKK schreibt 2022 auf ihrer Webseite zu diesem Thema:
"Biologisch lässt sich die geringere durchschnittliche Lebenserwartung nicht erklären. Entscheidend sind vielmehr die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im Lebensstil und in den sozialen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: Männer wollen als das „starke Geschlecht“ gelten und verdrängen Krankheiten und negative Gefühle daher oft mit Arbeit, Alkohol, Rauchen, exzessivem Sport oder Glücksspiel. Psychische und physische Erkrankungen bleiben dadurch häufig unerkannt, was mit der Zeit die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern deutlich verringert."
„Ehrgeizig zu sein verlangt die Trennung von eigenem Schmerz und Leid. Diese Trennung ist Bestandteil jenes Vorgangs, durch den das Eigene, fremd geworden, an andere Opfer weiter gegeben wird.“ Arno Gruen
Anhand einer exemplarischen Paartherapie wie sie in ihrem Verlauf bei vielen Paaren in seiner Praxis typisch gewesen seien, zeigt H.E.Richter den Leidensdruck auf, der sich hinter so vielen stark wirkenden Männern verbirgt.
Der aber auch ein besonderes Licht auf die allgemeine gesellschaftliche Norm auf den von uns allen verinnerlichten Anspruch auf Funktionalität und Stärke wirft.
Ausgangsmotivator für einen Besuch in einer therapeutischen Praxis sei in der Regel die Frau. Diese leide unter einem mangelnden seelische Austausch, empfinde den Mann als distanziert und unzugänglich. Es gäbe Verständigungsschwierigkeiten die sich ungünstig auf die gesundheitheitliche Verfassung der Frau auswirken würden. Nur aufgrund des Wunsches seiner Frau käme der Mann dann in der Regel mit in die Praxis. Er selber sei "keineswegs leidend".
Je mehr die therapeutischen Gespräche in den Kern der Eheprobleme vorstoßen, was dem Mann steigendes Mißbehagen bereitet, wird er unruhiger und unsicherer. Die Frau zeigt bei diesen Gesprächen sehr offen wie sie unter Spannungen leidet.
Aber es entlastet sie zugleich, das alles auf einmal klar und deutlich besprochen wird. Er, der Anfangs soviel Gleichmut und Sicherheit demonstriert hatte, verliert plötzlich die Fassung und ist dicht am Zusammenbrechen. Jetzt wird offenbar das sein inneren Zustand eher schlimmer als der der Frau ist.
Er ist nur geübt im Alltag sein geheimes Elend zu verdecken. Nun bricht auf einmal seine ganze Verzweiflung hervor, als er sich in der Behandlung stellen muß. Auf einmal sieht man, dass die Frau bei allem Leiden eigentlich tragfähiger ist als er.
Sie hat immerhin gelernt, ihr Leiden auszudrücken, und sie kann irgendwie damit umgehen. Er verfällt dagegen in Panik, als er merkt, wie schwach und unglücklich er im Grunde ist. Er hatte sich selbst und der Umgebung stets vorgespielt, dass er mit Willen und Selbstbeherrschung unendlich viel einstecken und verdauen könne.
Jetzt erfährt er, wie wenig er mit seiner bislang immer unterdrückten Depressivität und seiner passiven Hilflosigkeit umzugehen vermag. Er kann sich zunächst auch mit seiner Frau gar nicht mehr zurechtfinden, der gegenüber er ja immer den Überlegenen dargestellt hatte und die ihn nun unerwartet in seiner sonst immer überdeckten Weichheit und Abhängigkeit erlebt.
Er gerät ihr gegenüber in eine große Rollenunsicherheit. Er fühlt sich unerträglich kläglich und blamiert und kämpft darum, möglichst schnell wieder obenauf zu sein. Aber nun kann es geschehen, dass die Frau hilfreich eingreift. Sie ist froh das der Mann sich endlich einmal so geöffnet hat.
Und nun hat sie es plötzlich leichter ihm entgegen zu kommen und ihn zu bestätigen. Sie beweist ihm damit dass er viel mehr von ihr bekommen kann wenn er sich weniger verbirgt. Und er stellt möglicherweise zu seiner Verwunderung fest das er sich ein Stück weit entspannter und freier fühlt, wenn er sich auch mit seiner Schwäche und mit seinen passiven Bedürfnissen an seine Frau wendet.
Sein illusionäres Selbstbild von überlegener Stärke nimmt dadurch zwar Schaden. Und diese Kränkung seines Stolzes nimmt ihn mit. Aber dafür kann er, wenn er die Chance nutzt, sein inneres Gleichgewicht festigen, indem er in Zukunft eher und offener zeigt, wie ihm zumute ist.
Denn dann kann auch seine Frau auf seine, ihr bislang vorenthaltenden, Gefühle eingehen, und die Kommunikation zwischen beiden kann sich ausweiten."
Für Freud galt ein Mann dann als psychoanalytisch geheilt, wenn er wieder oder weiterhin gesellschaftliche Überlegenheit anstrebte.
Und diese gelte auch heute noch als ganz natürliches gesellschaftliches Streben, schreibt Arno Gruen in seinem Buch "Dem Leben entfremdet".
Gruen zitiert den Politologen Ronald V. Sampson der die Auswirkungen der Ungleichheit der Geschlechterbeziehungen bei berühmten englischen Familiendynastien untersuchte. Es wäre schnell deutlich geworden "dass das Weitergeben der Machtideologie ein Resultat der Ungleichheit zwischen Mann und Frau ist, und diese weiterhin existiert, obwohl heutzutage eine scheinbare Gleichheit offiziell gefeiert wird. Leider scheinbar, weil Gleichheit meistens heißt, dass eine Frau an den Maßstäben eines erfolgreichen machtorientierten Mannes gemessen wird."
Man könne dann erst von Ebenbürdigkeit sprechen wenn einer Frau in ihrer Eigenschaft als Leben gebende und emphatische Person die gleiche Anerkennung wiederfahre wie sie dem Mann wiederfährt. Davon seien wir jedoch weit entfernt meint A. Gruen.
"Solange Männer, aber auch Frauen an einem Idealbild des männlichen Erfolgs festhalten, ist es für eine Mutter, die selber Machthunger hat und dabei Unabhängigkeit und Selbstbehauptung im männlichen Sinne sucht, selbstverständlich, Macht im Bereich ihres Kindes zu suchen." Arno Gruen, Dem Leben entfremdet, S. 75
Die schlimmste Folge machtorientierter Gesellschaften, wo Liebe und Ebenbürdigkeit zwischen den Geschlechtern fehlen, zeige sich in der psychischen Verfassung aller Beteiligten.
Und zwar durch die Verleugnung der Tatsache dass die Genererierung eines Selbstwertes hier nur auf der Basis der Unterdrückung anderer möglich ist.